Kieler Nachrichten (INKIEL) 05.09.2014
Caulius und die Internet-Phänomene
Auch Kiel hat Internet. Und damit haben wir auch alle die seltsamen Internet-Phänomene, von denen die Boulevard-Magazine immer reden. Das ist aber nicht schlimm, denn Kiel ist prädestiniert dafür, stets auch hierbei eine Vorreiterrolle einzunehmen. Dank Veranstaltungen wie „Barcamp“ (eine jährliche Konferenz von Internetanwendern und Nutzern) oder „Webmontag“ (ein monatliches Treffen von Web 2.0-Interessierten) sind wir gestählt für alle Neknominates, Harlem Shakes, Food Porns und Happy-Parodien dieser Welt.
Ganz aktuell wäre da zum Beispiel die „Ice Bucket Challenge“. Okay, das war letzte Woche und ist heute schon fast wieder out. Kaum ein Kieler, der sich nicht eiskaltes Wasser vor der Kamera über den Juli-gebräunten Kopf gegossen hat. Dies dient dem guten Zweck und soll Spenden generieren. Dabei hatten wir es aber auch sehr einfach. Von den Organisatoren wurden offiziell reines Fördewasser und Wasser aus dem Eiderbad Hammer für diese Challenge als Eiswasserersatz anerkannt. Kein Eiswürfel musste hier grausam zum Schmelzen gebracht werden.
Ein weiterer Trend sind sogenannte „Hauls“. Das sind kleine Videos, in denen (meist sehr junge) Menschen ihren Tageseinkauf der Weltöffentlichkeit präsentieren. In Kiel kann man perfekt fast alles einkaufen. Wer möchte, der kann sogar vormittags U-Boote und Yachten bei HDW und Knierim shoppen und abends die Schnäppchen bzw. den Fang („haul“) schon stolz im Video präsentieren. Das sind doch mal Hauls mit Esprit und spannender als der übliche C&A- und Kick-Erwerb.
Dann wären da noch die Videos über "Morgenroutinen" und "Abendroutinen". Münchner zeigen Hamburgern mal, wie sie ihre Zähne putzen und Hamburger kontern mit ihren intimen Duschgel-Präsentationen. Spannender wird das zwar auch nicht in Kieler Wohnungen zugehen. Aber hier trötet immerhin im Hintergrund noch ein Kreuzfahrtschiff und Möwen kreischen in den Waschvorgang. Da kommt doch gleich Urlaubsstimmung auf.
Dass einer der Klassiker der Internet-Phänomene aus Kiel kommt, weiß auch nicht jeder. Es war 1993, als hier das Leugnen der Existenz einer Stadt in der Region Ostwestfalen-Lippe seinen Anfang nahm. Die Bielefeld-Connection mit ihrem Leitspruch "Bielefeld gibt es nicht und wer anderes behauptet, der gehört der Verschwörung an" hat auch mich nachhaltig geprägt. So werde ich am 1. November beim angeblichen Besuch einer Mannschaft namens "Arminia Bielefeld" im Holsteinstadion sicherlich nicht auf meinem Dauerkartenplatz sitzen. Was soll ich da, wenn eh niemand aufläuft?
Wo Kiel aber die Welt komplett aussticht, dass ist beim Phänomen der „Selfies“. Das ist eben nicht nur ein verkrampftes Hochhalten eines Smartphones zum Zwecke des Selbst-Portraits. Dazu gehört auch der passende Hintergrund. Und davon hat Kiel alles auf engstem Raum. Oft liegt zwischen Stimmungen wie „Karibik-Urlaub“ und „Weltuntergang“ nur ein 180 Grad Drehung des Fotografen.
Durch Kiel wird das Internet erst richtig schön.
Findet Euer und Ihr
Caulius