Kieler Nachrichten vom 06.11.2009

Caulius und der Sport

Wer in Kiel dem Passivsport frönen will, der hat die freie Auswahl. Neben dem Segeln sind es natürlich die Mannschaftssportarten, die die Kieler zu Hunderten und Tausenden in Hallen, Stadien und auf Sportplätze treiben. Dabei ist es eher eine Gemütsfrage, wo es dann genau hingeht.

Wer das Beständige liebt, es warm und trocken haben möchte und jemanden kennt, der jemanden kennt, dessen Großmutter diesen Sonntag ihre Dauerarte weitergibt, der geht zum THW. Es soll noch ein paar sehr alte Menschen in Kiel geben, die können sich noch an eine Niederlage des THW erinnern. Damals … als wir noch eine Straßenbahn hatten.

Für einige ist das jedoch zu wenig Adrenalin. Wer wirklich nicht wissen will, wie ein Spiel ausgeht und wer es im ehrlichsten Sinne des Wortes nass und kalt mag, der geht zu Holstein Kiel. Hier gibt es keine Vorentscheidungen und keine Vorschusslorbeeren. Hier muss die Gunst des Publikums jedes Mal aufs Neue gewonnen werden. Aber Dank der neuen Flutlichtanlage haben jetzt ja alle Kieler etwas von Heimspielen der Störche. Soll doch inzwischen die NASA sogar ihre Astronauten auf der ISS angewiesen haben, das Holstein-Stadion zu diesen Terminen als Orientierung auf der Nordhalbkugel zu nutzen – zumindest dann, wenn die Chinesische Mauer mal nicht in Sichtweite ist. Beim letzten Abendspiel soll sogar noch in der Innenstadt der Verkauf von Sonnenbrillen sprunghaft angestiegen sein. Aber wenn es der DFB fordert … Schade nur, dass beim letzten Pokalspiel der Frauen von Holstein Kiel jemand mitten im Elfmeterschießen vergessen hat, den Euro nachzuwerfen.

Wer auf Show steht, der geht zu den Baltic Hurricanes. War mir früher beim alten Sponsor „New Yorker“ tatsächlich nicht klar, weshalb ein amerikanischer Verein bei einer amerikanischen Sportart ihre Heimspiele lieber in Kiel austrägt als rund um den Hudson, so verstehe ich jetzt zwar immer noch nicht die Regeln. Aber viel zu gucken gibt es immer – und seien es die Cheerleader, denen man bei den hiesigen Witterungsbedingungen gerne mal eine längere Hose reichen würde.

Und wird es mal auf dem Spielfeld nicht spannend, so weiß der Kieler mit Entscheidungen hinter den Kulissen zu beeindrucken. Entgegen dem Bundestrend entlassen Kieler Vereine gerne ihre Trainer auf der Spitze ihres Erfolgs. Wer hier als Trainer anfängt, dürfte gewarnt sein. All zu viele Siege lassen den eigenen Stuhl zum Schleudersitz werden. Sollte die Spitzenposition der Liga länger als drei Wochen gehalten werden, würde ich an deren Stelle lieber selber die Reißleine ziehen und zurücktreten. Aber Kiel ist dadurch auch eine Karrieremöglichkeit. Wer hier rausgeschmissen wurde, der hat es geschafft, und wird sicherlich überall gerne genommen.

Zum Glück gibt es aber auch noch für den kleinen Geldbeutel und den großen Regenschirm die vielen weiteren Sportplätze in und um Kiel. Was hier jedes Wochenende passiert, ist oft weit spannender als die Spiele der Profis (nehmen wir mal die Spiele von Holstein aus der Betrachtung heraus). Okay, die Bratwurst ist vielleicht nicht immer ganz durch in der Halbzeitpause, wenn der Wirt von soviel Andrang allwöchentlich überrascht wird. Aber am wichtigsten ist doch eh die dritte Halbzeit, wenn die großen Diskussionen um die Qualität des Spielmaterials beginnt (da nehmen wir Holstein mal wieder mit hinein in die Betrachtung). Die bekannte Oma hätte es bekanntlich besser gemacht. Aber die erinnert sich ja auch noch an die letzte Niederlage vom THW.

Gut unterhalten bei jedem Kieler Sport, fühlt sich auf jeden Fall

Euer und Ihr

Caulius