Kieler Nachrichten (Teil INKIEL) vom 7. März 2014
Caulius und der Karneval in Kiel
Eine von den vielen sympathischen Seiten von Kiel ist, dass wir nicht jede Mode mitmachen. Natürlich hätten wir auch eine Elbphilharmonie bauen können, aber wir müssen nicht. Schon weil wir gar keine Elbe haben. Ein neuer Flughafen tut auch nicht not, dann kann er auch nicht verspätet freigegeben werden. Und schließlich kommt hier niemand auf die Idee den Bahnhof unter die Erde zu verlegen, um die Möglichkeit zu bekommen, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Dänischenhagen zu bauen. Kiel ist Sackbahnhof und das ist gut so.
Aber, und das macht den Kieler noch sympathischer, wenn wir wollen, dann können wir auch. So zum Beispiel Anfang März geschehen, als tatsächlich ein Karnevalsumzug durch Kiel geleitet wurde. Kiel und Karneval, die Schnittmenge war da meiner Ansicht nach bisher eher übersichtlich. Bis 2003 gab es immerhin den „Schrägen Funken“, der den Rheinländer im Kieler geweckt hat. Aber wer glaubt, dass es das schon gewesen ist, der irrt. Hat Kiel doch zehn Karnevalsvereine – glaubt man der Webseite des Komitee Kieler Karneval e. V. - und die scheinen es satt zu haben für die vielen karnevalsresistenten Kieler nur im Verborgenen zu agieren. Der Kieler Karneval drängt heraus aus kleinen Hallen auf die Straße.
Nun muss man sagen, dass allein der Karnevalsumzug nur wenige Mainzer, Düsseldorfer oder Kölner zum Umzug nach Kiel verleiten wird. Obwohl auch der Kieler Karnevalsumzug alles hatte, was ein Karnevalsumzug so haben muss. Es gab einen Wagen … also einen Bollerwagen mit Schild drauf. Dazu Musik, Funkenmariechen, ein Prinzenpaar und ein paar geworfene Bonbons. Der Norddeutsche ist eben Realist und sieht auch die Gesundheitsgefahren von zu viel Süßem.
Natürlich ist noch etwas Luft nach oben. Dass man den Umzug passend zum Start in den verkaufsoffenen Sonntag legte, war ein genialer Schachzug. Tausende säumten so den Zug, wenn auch eher irritiert als karnevalistisch dreinschauend. Aber es gab auch vereinzelt verkleidete Menschen. Wobei das Gerücht geht, dass der Kieler sich schon bis zur Unkenntlichkeit entstellt meint, zieht er nur seine Regenjacke aus. Alles Quatsch. Die Kieler Funkenmariechen haben eben Daunenjacken an gehabt weil, … ja weil … weil Daunenjacken eben schick sind.
Eigentlich bin ich sogar froh, dass wir in Kiel nur die ehrlich rustikale Variante vom Karneval haben. Statt Kolumnen zu schreiben, wäre ich sonst wahrscheinlich mit meinen Karnevalsfreunden das ganze Jahr damit beschäftigt gewesen, irgendwelche Uthoff-, Gaschke-, Möbel-Kraft- oder Kieler-Frieden-Figuren aus Pappmaché zu basteln. Stellen Sie mal den Kieler Frieden in Pappe dar. Da ist doch Frust vorprogrammiert, oder? Statt THW gäbe es im Februar nur Prunksitzungen in der Sparkassen Arena. Kieler-Woche-Verkehrsregelungen gäbe es plötzlich auch im Winter, weil sich der Rosenmontagsumzug mühsam am Berliner Platz vorbei schlängelt. Fans vom RB Leipzig hätten uns Holstein Kiel Fans bei der letzten Heimniederlage ein kaum zu widersprechendes „Ihr seid nur ein Karnevalsverein“ entgegen geworfen. Und an Aschermittwoch wäre plötzlich mal alles vorbei, obwohl die schönste Jahreszeit (also die Kieler Woche) doch noch bevor steht.
Ich bin Kieler. Ich finde es gut, wie es ist. Und gerade deswegen gucke ich mir gerne auch nächstes Jahr den Karnevalsumzug in Kiel an. Bescheiden, ehrlich und klar herausstellen, dass da noch mehr geht – im Juni. Denn dann ist wirklich Karneval in Kiel. Nur ohne Verkleiden. Und das ist auch gut so.
Findet Euer und Ihr
Caulius
P.S.: Hier ein KielPod-Video vom Karnevalsumzug 2014