Kieler Nachrichten (Teil INKIEL) 02.07.2010
Caulius und die Fußballweltmeisterschaft
Spätestens an den abgewehten Deutschland-Flaggen im Straßengraben erkennt auch der Laie: Es ist wieder Fußballweltmeisterschaft. Nun ist Südafrika doch zumindest gefühlt einige Kilometer entfernt von uns und die Anzahl der nominierten Spieler von Holstein Kiel ist auch übersichtlich. Doch das schreckt den Kieler ja nicht. Dabei ist sogar ein Kieler Jung dabei gewesen. Der italienische Nationalspieler Riccardo Montolivo hat Verwandte in unserer Landeshauptstadt und berichtete im Interview davon, dass eine seiner ersten Fußball-Erinnerungen mit einem Pokalspiel von Kielia Kiel zu tun hatte. Dass dieses zwangsweise dazu führt, dass man sich auf einem letzten Tabellenplatz bei einer WM wiederfindet, ist jedoch wissenschaftlich nicht erwiesen. Aber mit Abstiegsgefühlen haben wir Kieler ja Erfahrung.
Die WM ist damit zwar Kiel-frei. Doch an Kiel zieht die WM dennoch nicht achtlos vorbei. Noch 2006 war es die Panini-Sammel-Sucht, die uns auf die Straßen getrieben hat. Ein kleiner Kiosk im Stadtteil Ravensberg hatte damals im Vorfeld der WM zur Tauschbörse bei sich geladen. Und die Kieler kamen. Sie kamen zu Tausenden. Und sie tauschten und tauschten und tauschten – Tag für Tag, zum Leidwesen des Kioskbetreibers und anderer Anwohner, deren Zugänge verstopft waren durch Klebebildchen und deren Autos mit Sammelalben vollgestellt wurden. Bis dann die Polizei die Versammlung auflöste. Doch da war das Album der meisten zum Glück schon voll und nur wenige suchten noch händeringend nach einem Poldi oder Lehmann. Wobei für Letzteren eh kein Platz im Album war, aber das ist eine andere Geschichte.
Doch wir Kieler belagerten nicht nur Kioskvorplätze, wir nahmen uns auch ganze Kreuzungen nach den Spielen der deutschen Nationalmannschaft. So etwa die Ecke Olshausenstraße / Knooper Weg. Auch hier schritt die Polizei ein, doch zum Glück nur so, dass sie ab dem dritten Spiel durch Absperrungen den Verkehr vorbeilotsten. Schade war nur, dass ab diesem Zeitpunkt der stets fair geführte Kampf zwischen Fußballfan und Linienbus unterbunden wurde. Doch 2010 kam es zum Revival. Ein beherztes „Kreuzungswechsel“ aus dem Megafon und nach dem Ghana-Spiel wurde einfach mal zur Verblüffung der Ordnungsbehörden und Autofahrer die Ecke Holtenauer Straße / Beselerallee zur Fankurve. Die Staatsmacht reagierte besonnen und lotste den Verkehr auch dort vorbei. Da war es dann wieder, das Kräftemessen Mensch und Bus. Mit fordernden Sprüchen und fröhlichem Vuvuzela-Tröten wurden tatsächlich einige Gäste aus dem metallenen Schlund des roten Ungetüms befreit. Ein echter Sieg mit Win-Win-Charakter für alle Beteiligten.
Wirklich schade, dass Kiel auf absehbare Zeit kein Ausrichter der Fußballweltmeisterschaft wird. Dabei ist doch alles da, was man dafür braucht. Wir haben ein Stadion, das inzwischen sogar Licht hat. Unser Sommer ist auch noch ein Sommer und kein Winter wie in Südafrika – obwohl, sollte die WM in Kiel wie immer parallel zur Kieler Woche ausgerichtet werden, kann ggf. doch mal ein Handschuh-Spiel drohen. Und einige Millionen Besucher sind eh wegen besagter 5. Kieler Jahreszeit anwesend. Für Stimmung ist damit gesorgt. Einige Gruppenspiele könnten sogar parallel auf dem Norder oder Professor-Peters-Platz ausgetragen werden. Der Rasen ist dank traditionell guter Wässerung satt grün und Kreide haben wir auch. Nur auf die Vuvuzelas können wir in Kiel leider nicht ganz verzichten. Wir nennen das zwar „Typhon“ und setzen es bisher auf Land nur zum Signal „Leinen Los!“ bei der Eröffnung der Kieler Woche ein. Doch ganz ohne möchten wir nicht. Oder wir nehmen die Schiffsglocke mit ins Stadion. Ob sich das dann bei der Fernsehübertragung besser anhört, das möge der Zuschauer selber entscheiden. Das ist eben landestypisch. Da muss die Welt durch.
Findet
Euer und Ihr
Caulius
(Den Podcast zur Weltmeisterschaft finden Sie hier: www.fussballpodcast.info)